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Tooling #3: Die vier Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Veränderung

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Eine schlechte Nachricht für Menschen, die es gerne ruhig und konstant haben, also für ALLE (gesunden) Menschen: Nichts ist so beständig wie der Wandel! Diese triviale Tatsache gilt heute besonders. Üben wir uns also besonders in radikaler Akzeptanz und eignen wir uns das notwendige Handwerkszeug an. Was braucht es für erfolgreiche Veränderungsarbeit?

Photo by Charlie Firth on Unsplash

Change Agents aller Art, z.B. UnternehmerInnen, ManagerInnen, ProjektmanagerInnen und Scrum MasterInnen, kurz: alle, die viel mit Veränderung und Veränderungsmanagement zu tun haben, zweifeln vielleicht gelegentlich daran. Dennoch: Grundsätzlich ist möglich, sich und andere Menschen zu verändern. Das ist die gute Nachricht. 

Die weniger gute ist, dass es für einen (erfolgreichen) Wandel Voraussetzungen braucht, die nicht immer gegeben und erfahrungsgemäß noch seltener bekannt sind. Das gilt für Veränderungen von einzelnen Menschen wie für Veränderungen in und von Gruppen von Menschen. Also z.B. von Teams, Abteilungen, Sparten, Firmen, Branchen, Gesellschaften...

Schön ist, dass bei beidem schnell geholfen werden kann. Denn Voraussetzungen lassen sich schaffen - wenn man weiß, welche es braucht. Strenggenommen ist genau DAS der Job von Change Agents. Legen wir also los:

Grundvoraussetzungen für Veränderung

1. Persönlichkeit/persönliche Kompetenz und Bereitschaft zu Veränderung

Es mag trivial kllingen, dennoch übersehen wir in unserer standardisierenden und gleichmachenden Welt gerne, dass Menschen unterschiedliche Temperamente, Erfahrungen und Vorlieben haben (müssen). Dasselbe gilt auch für Gruppen von Menschen und ganze Firmen. 

Deshalb stehen manche Menschen Veränderungen offener gegenüber als andere Menschen. (Was sie NICHT besser macht!) Wer Veränderungen anstrebt, sollte sich diese vermeintlich banale Tatsache STETS bewusst machen und VOR ALLEM in den Planungen berücksichtigen. Um Ansprache, Erwartungen und Motivationen zielgerichtet zu managen, verschafft er/sie sich am besten schon im Vorfeld einen möglichst genauen - definierten - Überblick: 

  • Wie stehe ich, stehen wir, stehen die Menschen und auch die Organisation, um die es geht, GRUNDSÄTZLICH Veränderungen gegenüber? 
  • Bin ich, sind wir, ist die Organisation grundsätzlich eher vorsichtig, ängstlich oder auf Stabilität gepolt? 
  • Oder doch auch ein bisschen abenteuerlustig und eher unternehmerisch ausgerichtet? Mit Lust am Entdecken? 
  • Wie viel Erfahrungen haben die Menschen in Veränderungsvorhaben? 
  • Welche Grundkompetenzen beim Thema Veränderung sind vorhanden?          
  • Mit wieviel Enthusiasmus und/oder Ängsten bzw. Widerständen ist wo und bei wem zu rechnen?
Photo by Ross Findon on Unsplash

2. Leidensdruck/Gefühl der Dringlich- UND Wichtigkeit

Ja. Stimmt. Es sieht oft anders aus. Der Mensch ist TROTZDEM (irgendwie) ein vernunftbegabtes Wesen. Heißt: Menschen tun Dinge, wenn sie vernünftig sind. Vernunft ist jedoch - da sind sich Neurobiologie und Psychologie einig - keine allgemeingültige, objektive und vor allem keine kognitive Kategorie: Vernunft ist eben KEINE Angelegenheit für den KOPF, zumindest nicht für ihn alleine. Sondern VOR ALLEM ist es eine EMOTIONALE Frage, eine Bauchsache. Und mehr noch: Jede Kopf-Bauch-Einheit, jeder Mensch ist anders - zumindest bis zu einem gewissen Grad! 

Allerdings sind Menschen in dem Sinne gleich, dass sie IMMER den eigenen Energiehaushalt optimieren. Das führt dazu, dass sich JEDER Mensch BEI ALLEM, was er tut, fragt: MUSS DAS JETZT SEIN? Ist das jetzt so wichtig? Ist das jetzt so dringend? So, dass ich/wir JETZT aktiv werden und Zeit und Energie investieren? 

Erst, wenn auf diese hochgradig individuelle Fragen gute Antworten folgen, also echte Beweg-Gründe vorliegen (und das sind meist e-motionale Gründe), setzen sich Menschen in Bewegung. 

Wichtig: Oft heißt es, dass für Veränderungen "der Leidensdruck nur hoch" genug sein müsste, es also z.B. unangenehme Dinge zu vermeiden gelte. Oder eine Gefahr oder eben ein Leid abzuwenden, das Menschen selbst (der gemütliche Fernsehabend!) oder ihre soziale Gruppe beeinträchtigen könnte (z.B. ihre Projektteam: "Das Projektziel ist in Gefahr!"). Dieser Denkansatz könnte dazu verleiten (und tut dies auch oft genug), dass es für Veränderung immer notwendig ist, den Leidensdruck zu erhöhen. So lange, bis Menschen sich dann eben verändern. 

Ich halte das für überflüssig, gefährlich und kontraproduktiv. Menschen sind nämlich intelligent und emotional schlau. Sie erkennen Dringlich- und Wichtigkeit auch, OHNE dass man ihnen mit Zwangsmaßnahmen kommt. 

3. Belohnungserwartung  (What's in it for me?)

Selbst, wenn Menschen erkannt haben, dass es dringend und wichtig ist, zu agieren, stellen sie sich vorher noch die Frage: What's in it for me? Was bringt mir die Veränderung? Das ergänzt die oben behandelte Frage der Dringlichkeit. Hier geht beantworten sich Menschen die Frage, welche Konsequenzen die Veränderung für sie persönlich hat. Das ist deshalb wichtig für sie, damit sie entscheiden können, ob und inwiefern sie zu einer Veränderung bereit sind, und bis zu welchem Grad sie sich engagieren werden. 

"Eine ausreichende Höhe der Belohnung ist jedenfalls nötig, um Gewohnheiten zu überwinden, die Veränderungen entgegenstehen." (Gerhard Roth)

Auch das ist eine wichtige Erkenntnis für Change Agents. Vor allem in Verbindung damit, dass auch dies hochindividuelle Antworten erfordert. Vor allem welche, die sich Menschen selbst geben und nicht etwa vom Management oder anderer Seite. (Was nicht heißt, dass nicht von Außen Einfluss genommern werden kann oder sollte.)
Photo by Jenny Hill on Unsplash


4. Langer Atem und Gelduld

Veränderung bedeutet, Denk- und Handlungsroutinen zu ändern. Neurobiologisch - und auch organisatorisch - bedeutet das NICHT, im Laufe des Veränderungsvorhabens diese Routinen oder Muster auf irgendeine Art umzuprogrammieren. Vielmehr werden die ALTEN Muster mit NEUEN Mustern überlagert.

Das ist hinsichtlich des Vorgehens in Veränderungsvorhaben entscheidend. Denn es ist der Grund, warum Menschen dazu neigen, sich nicht zu verändern, also nicht die neuen Muster anzuwenden, sondern vielmehr wieder den "alten Stiefel" zu machen. Neue und alte Muster stehen nämlich im (emotionalen) "Vernunftswettbewerb". 
 
Menschen streben bei allem, was sie tun, psychische und körperliche Sicherheit an. Heißt: Sie wollen schlicht ein gutes Gefühl bei dem haben, was sie tun. Und sie wollen sich sicher fühlen. Hier haben alte Muster einen großen Vorteil. 
 
Denn sie sind "erfolgserprobt" Menschen "wissen" einfach, was sie zu erwarten haben, wenn sie das tun, was sie immer schon getan haben. (Hierbei handelt es sich meist um unbewusste, emotionale Vorgänge, siehe Bauchgefühl.) Bei den neuen Routinen ist das naturgemäß ganz anders. Denn sie haben sich im Alltag noch nicht beweisen können und zudem strengen sie an, denn wir haben sie noch nicht eingeübt und müssen uns konzentrieren, um sie zu benutzen. Das führt dazu, dass sie weniger berücksichtigt werden: Sicher ist schließlich sicher. Und weniger Anstrengungen ist auch angenehmer. 

Wichtig ist, zu erkennen, dass dieser Umgang mit Veränderungen ein sehr menschlicher Automatismus ist und KEINE bewusste Absicht. Schon gar keine böse. Wenn überhaupt, geschieht dies mit den besten Absichten. Denn bei Lichte betrachtet ist es sogar sehr schlau, auf Bewährtes zu vertrauen. Selbst wenn es im Veränderungsvorhaben freilich das genaue Gegenteil vom gewünschten Effekt ist. Schließlich wollen wir die Dinge ja verändern. Eigentlich.

Veränderungen brauchen aus diesem Grund aber Zeit. Sie KÖNNEN NICHT von heute auf morgen stattfinden. Menschen brauchen Zeit und Gelegenheit, die neuen Muster zu etablieren und einzuüben. Mit allen Fehlern und Rückschlägen, die das mit sich bringt. 

Weil die Sachlage so ist, wie sie ist, und weil Menschen zudem zudem zu egozentrischem Tunnelblick neigen, ist es wichtig, dass in Veränderungsvorhaben externe Begleitungen auf Fehlentwicklungen hinweisen und sie zu korrigieren helfen. Mindestens aber ist dafür zu sorgen, dass Menschen lernen, sich selbst zu überprüfen und sich im Sinne des angestrebten Veränderungsziels zu korrigieren.   

Wenn wir diese vier Voraussetzungen im Blick behalten, können Veränderungen sehr wohl gelingen. (Auch relativ zügig.) Denn wir haben es IMMER mit einzelnen Persönlichkeiten zu tun, die aber auch ein starkes Interesse am gemeinsamen Erfolgen haben. 

Diese Erfolgsziele allerdings müssen zu den grundsätzlichen individuellen Zielen passen. Professionelle Veränderungsarbeit erfordert deshalb, die Lust herauszufinden, was das im Einzelnen bedeutet. Es braucht also ein positives Menschenbild und einen wohlwollenden, positiven, motivierenden und wertschätzenden Umgang miteinander. 

Heißt auch: Es braucht Geduld und eine gewisse Frusttoleranz bei allen, die für die Veränderung verantwortlich sind und dafür kämpfen. Sie haben nämlich naturgemäß einen völlig anderen Blick auf die Veränderung als ihre KollegInnen. 

Das wiederum hängt viel mit dem "Problem der zwei Geschwindigkeiten" zusammen. Doch darüber dann vielleicht ein andermal... 

Literatur


  • Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München, 2007.
  • Roth, Gerhard: Über den Menschen. Frankfurt am Main, Berlin: Suhrkamp Verlag, 2021.
  • Rother, Mike: Die Kata des Weltmarktführers : Toyotas Erfolgsmethoden. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2013.
  • Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. Stuttgart, 2011.



  

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