Welche Bücher waren oder sind für mich und für meine Arbeit hilfreich, prägend und wichtig? Dieses Mal der erste Teil meiner Handbibliothek zum Thema Coaching und Beratung.* /1/
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Zum Thema Coaching und Beratung gibt es natürlich unendlich viel Literatur. Und das spiegelt sich auch in meiner Aufstellung der Bücher wider, die in irgendeiner Form für mich, meine Arbeit und vor allem auch das Verständnis für meine professionelle Rolle als Coach, Teamcoach und Berater bedeutsam waren und sind. Da kommt einiges zusammen. Deshalb habe ich zwei Teile draus gemacht. Den zweiten Teil könnt Ihr Anfang August lesen.
Das Thema ist groß. Trotzdem habe ich auf eine thematische Untergliederung verzichtet und gehe in alphatischer Reihe vor:
Ameln, Falko von; Heintel, Peter: Macht in Organisationen. Denkwerkzeuge für Führung, Beratung und Change Management.
Das - so lernte ich - ist eben nicht genug. Denn ausnahmslos alle Menschen einer Organisation haben neben dem Interesse am Fortbestehen der Organisation, für die sie arbeiten, immer auch eine eigene, persönliche Agenda, die sie verfolgen. Heißt: Im Rahmen ihrer Möglichkeiten spielen sie immer auch Machtspiele. Denn das ist die einzige Möglichkeite, ihre Interessen zu vertreten und ihre persönlichen Ziele zu erreichen.
Also ist dieses Hantieren mit Macht ist eines der wichtigsten Elemente unserer Arbeit. Und zwar meist unausgesprochen. Macht ist ein Tabu-Thema, eines über das nicht allzuviel geredet wird.
Die Augen vor dieser Tatsache zu verschließen, mag im betrieblichen Alltag ja noch halbwegs ok sein (obwohl eigentlich eine Katastrophe). Als BeraterIn oder auch als Teamcoach ist es jedoch absolut fahrlässig, sich nicht mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn wer es ignoriert, nimmt sich die Möglichkeit, nachhaltig zu helfen, was ja unser Job ist.
Also haben wir zu lernen und zu verstehen, was Macht ist, wie sie entsteht, warum wir sie brauchen, wie sie angewendet wird. Schlicht: Wir haben das Regelwerk des Machtspiels kennenzulernen.
Eines der besten Bücher, die ich dafür kenne, ist dieses Buch des Unternehmensberaters Falko von Ameln, dessen Arbeit sehr stark von Systemtheoretie und konstruktivistischen Elementen geprägt ist. (Gleichzeitig hat das Buch aber auch einen starken Praxisbezug!) Gerade im im Thema Macht ist das ein großer Vorteil.
Wer also einen fundierten Überblick über das Thema Macht sucht, der auch den Transfer in die Beraterpraxis schafft, sei dieses Buch wärmstens empfohlen.
Ameln, Falko von: Ameln, Falko von: Organisationsberatung. Eine Einführung für Berater, Führungskräfte und Studierende.
Eine ultrakurze Einführung, die einen guten Überblick bietet. Danach ist allerdings schon notwendig, ein bisschen tiefer einzusteigen.
Tipp: Maximal das Ebook kaufen (5€). Mehr ist‘s nämlich aufgrund des Umfangs nicht wert. (Hey, Springer Verlag, 15 € für die paar gedruckte Seiten?! Euer Ernst?!)
Emiliani, Bob: The Triumph of Classical Management Over Lean Management. How Tradition Prevails and what to Do about it.
Viele Enthusiasten stellen sich irgendwann einmal in ihrer Laufbahn die Frage, warum in aller Welt nur haben wir so viel Sand im Getriebe? Sehr viele Menschen also, die Freude am Gestalten und an der Zusammenarbeit, am gemeinsamen Produzieren von guten Ergebnissen haben, alle, die gerne für und mit dem Kunden arbeiten, kommen an den Punkt, an dem sie sich fragen: Wieso nur habe ich den Eindruck, dass es hier gar nicht (mehr) um zufriedenstellende Ergebnisse geht? Wieso nur kümmern wir uns um unsinnige und gar nicht mehr produktive Dinge?
Oft sind das dann die Situationen, in dem BeraterInnen und Coaches gerufen werden. Dann werden Prozesse analysiert, dokumentiert, modelliert, neue konzipiert und wieder implementiert etc. Eine Weile nach diesen Anstrengungen allerdings stellen die Beteiligten dann oft fest: Es ist alles wieder so wie vorher.
Lange ist schon bekannt, woran das das zwar nicht immer, sehr häufig liegt: Daran, dass die machthabenden Positionen meist wenig bis gar kein Interesse an Veränderung haben. Denn die würden mit sich bringen, dass sie ihre Macht oder Entscheidungsmacht abgeben oder zumindest teilen müssten. In einer individualisierten Leistungswelt wie der unseren kommt das bei Einzlenen nicht so gut an.
Wer - aus stark organisationstheoretischer Sicht - wissen möchte, warum das so ist, was das im Detail heißt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und auch ergeben können, dem empfehle ich dieses Buch. Aber Achtung! Das Buch ist schon eine ganz schöne Roßkur. Zumindest habe ich es so empfunden. Wer aber mit ziemlich schonungslosem Röntgenblick auf den Boden der Tatsachen geholt werden möchte, der kommt voll auf seine Kosten.
Im Endeffekt ist das natürlich gut. Denn nur so werden auch echte Veränderungen möglich und Ansätze deutlich, wie die durch zementierte Machtstrukturen verursachten, teilweise existentiell gefährdenden und unguten Situationen zu verändern und zu verbessern sind.
Laloux, Frederic: Reinventing Organizations. A Guide to Creating Organizations. Inspired by the Next Stage of Human Consciousness
Unsere Klienten haben nämlich nicht unsere Meta-Sicht. Sie wühlen sich knöcheltief durch den Firmenalltag und versuchen dort jene handfesten Schwierigkeiten und Probleme zu lösen, die sich ihnen dort stellen. Dazu bedienen sie sich all dessen, was sie bisher gelernt und kennengelernt haben.
Oft erkennen sie dabei nicht, dass die handfesten Schwierigkeiten und Probleme, die sie gerade versuchen zu lösen, hervorgerufen werden durch Dinge, die sie gerade nicht direkt beeinflussen können. Das erkennen Sie aber oft nicht. Und oft können sie das auch nicht erkennen. Weil ihnen die jetzt vielleicht hilfreiche Meta-Sicht verstellt oder ganz unmöglich ist.
Und so versuchen sie die Problem mit jenen mnitteln zu lösen, die sie kennen. Manchmal stoßen Sie damit an ihre Grenzen. Schlaue Menschen merken dann, dass sie Hilfe brauchen und heuern eben BeraterInnen und Profis wie uns an. Dann ist es gut, wenn wir gemeinsam mit den Klienten herauszufinden versuchen, woraus das Problem besteht und welche Lösungsansätze sinnvoll und zielführend sind.
Früher gehörte dazu sehr oft und (fast) ausschließlich, fehlende Kompetenzen zu ermitteln und an der richtigen Stelle zu schulen. Heute gehört dazu immer öfter, bestehende Kompetenzen neu zu kombinieren und fokussierter auszurichten.
Warum ist das so? Das kann man in Frederic Laloux' bahnbrechenden Buch nachlesen. Er tut das, was ich in meiner Praxis als äußerst hilfreich empfinde: Er erklärt, wie und warum sich die (Wirtschafts-) Welt in den letzen Jahrhunderten verändert hat und was das für die Unternehmen und ihre Strukturen bedeutet. Dazu erläutert er im ersten Teil des Buches einige Entwicklungsmodelle, die ich persönlich als sehr hilfreich empfinde und nach wie vor konkret in meiner Arbeit einsetze.
Denn meine Erfahrung ist, wenn ich Menschen erkläre, was um sie herum geschieht und wie das mit ihren konkreten Problemen im Arbeitsalltag zusammenhängt, gehen Menschen viel seltener in den Veränderungswiderstand. UND sie sehen viel schneller und leichter Lösungsansätze, die sie zudem schneller umsetzen.
Doch Laloux's Groundwork bei den theoretischen Modelle ist nur ein Geheimnis des Erfolgs für dieses Buch: Frederic Laloux stellt in seinem Buch eine Fülle an Beispielen zusammen von Firmen, die sich anders als der hierarchische Mainstream organisieren. Er beantwortet hier konkret und mit echten Beispielen die Frage, die man so gut kennt: Wo kämen wir denn dahin, wenn wir jetzt alles anders machen würden?!
Wo man damit hinkommen kann, sieht man eben in den konkretn Firmenprofilen. Und wo man hinkäme in den vorangestellten Modellen.
Das alles versprüht Aufbruchstimmung, macht Mut, motiviert ungemein. Das alles ist schon toll, was mir aber auch immer wichtig ist: Es gibt mir konkrete Modelle an die Hand, mit denen ich gleich arbeiten kann.
Nach wie vor: Super Buch!
Lencioni, Patrick M.: Getting Naked. A Business Fable About Shedding The Three Fears That Sabotage Client Loyalty.
Warum? Was macht den Unterschied aus? Warum entwickelt sich das so? Wo macht das Sinn, wo nicht? Was heißt das im Detail?
Der Berater und Bestseller-Autor Patrick Lencioni („Die fünf Dysfunktionen eines Teams“) legt darüber diesen unterhaltsamen Fach-Roman vor. Der ist sprachlich und konzeptionell eher - äh, hüstel - auf amarikanisch-einfachem Niveau, also auch ein Ideechen vorhersebar gehalten (und zwar durchweg). Inhaltlich ist er aber sehr praktikabel und hilfreich, weil er eine gut verständliche Blaubpause liefert, wie Beratung heute funktionieren kann. Nämlich „naked“. Heißt eben: Auf Augenhöhe, offen, ehrlich, ohne (teure) Statusspielereien, zielgerichtet, ergebnis- und also: kunden- und wertschöpfungsorientiert.
Sicher, dieser Ansatz funktioniert sicherlich (noch) nicht bei allen Klienten und Kunden, denn die müssen ja auch soweit sein, dass sie die verschwenderischen Strukturen hinderlich, teuer und eben: nicht wertschöpfend empfinden. Und deshalb eben: Weglassen wollen. Vor allem aber für die nachkommende Gerneration von aufstrebenden, jungen Unternehmen ist unerlässlich, sich als BeraterIn in diese Richtung zu entwickeln.
Logan, Dave: Tribal Leadership
Vor einigen Jahren fiel ich aus meinem damaligen Job heraus. Mein Arbeitgeber und ich trennten uns, weil es einfach nicht geklappt hatte. Und das, obwohl alles offensichtlich so gut ausgesehen hatte und alle mutmaßlich alles richtig gemacht hatten.Woran waren wir gescheitert? Was war da los? Diese Frage ließ mich seinerzeit nicht los. Also machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Und ich wurde fündig. Und zwar im Graves Value System - besser bekannt als Spiral Dynamics.*
Dieses Modell geht davon aus, dass einzelne Menschen und auch Gruppen von Menschen (Teams, Firmen, Gesellschaften) im Laufe ihres Lebens immer bestimmte Bewusstseinsstufen durchlaufen. Diese Stufen lassen sich anhand der Maslowschen Bedürfnistabelle nachvollziehen - zumindest annähernd. Auf den bestimmten Bewusstseinsstufen wirken gewisse Weltbilder, die das widerspiegeln, was die betreffenden Menschen gerade als generell wichtig sehen.
Es handelt sich hier also um ein Werte- und Bedürfnismodel, das einordnet, was für Personen oder Gruppe jeweils gearde vorrangig gilt - und zwar generell. Damit verbunden ist auch immer eine Sammlung an Praktiken, Sicht- und Vorgehensweisen und Kompetenzen, die den Menschen dann zur Verfügung stehen.
Im Laufe des Lebens durchläuft man mehrere dieser Bewusstseins- und Kompetenzstadien in einer gewissen Reihenfolge. Dabei fallen wir gelegentlich auf Stufen zurück, die wir schon durchlaufen haben. Und/oder wir erklimmen neue Stadien, wenn Krisen anstehen, die uns dazu zwingen, Dinge zu erleben und zu lernen, die wir bislang noch nicht kannten.
Wenn nun Menschen zusammenkommen, die auf unterschiedlichen Stufen stehen, kommt es unweigerlich zu Konflikten, die sich an den Fragen entzünden: Was braucht‘s? Was ist wirklich wichtig? Was ist zu tun? Diese Streitpunkte werden mit den Überzeugungen und Mitteln ausgetragen, die den Beteiligten gerade zur Verfügung stehen.
Dabei gilt: 1. Höhere Erkentnissstadien sind per se nicht besser. Sie sind halt einfach. 2. Diejenigen, die auf einer niedrigeren Stufe stehen, können das, was von der höheren Stufe kommt, nicht verstehen. Denn sie haben eben den dafür erforderlichen Erkenntnisschritt noch nicht gemacht. Also lehnen sie die Überzeugungen, Werte und Bedürfnisse von dort ab. Gleiches gilt auch für alles, was von unteren Stufen kommt. Denn das hat man ja schon als falsch überkommen und hinter sich gelassen.
Für mich ließ sich so erklären, warum es damals mit mir und meinem Arbeitgeber nicht geklappt hatte: Wir lagen in unseren Überzeugungswelten und Entwicklungsstadien einfach zu weit auseinander.
Diese Vorrede ist deshalb wichtig, weil genau DAS, also das "Graves Value System" bzw. "Spiral Dynamics", der Ansatz von Dave Logan ist. Auch wenn er es nicht explizit so erwähnt, es ist ganz klar die Grundlage.
Ich finde das prima. Denn erstens fasst Dave Logan in seinem Buch die Systematik viel einfacher, plakativer und viel praktikabler auf als es im ziemlich unlesbaren und verschwurbelten Buch „Spiral Dynamics“* der Fall ist. Und zweitens ergänzt Logan das Ganze mit sehr praxisorientierten (Coaching-) Ansätzen, was man als BeraterIn, Coach oder auch Führungskraft und MitarbeiterIn in welcher Situation tun kann: Welche Entwicklungsstufe bedeutet was? Woran erkenne ich das? Was habe ich für Möglichkeiten, die Situation gut und im Sinne der Beteiligten zu lösen?
Sehr hilfreich. Und zwar als Modell wie auch in den praktischen Ansätzen.
Mezick, Daniel J.; Pontes, Deborah; Shinsato, Harold: The Open Space Agility Handbook
Daniel Mezicks Ansatz der Open Space Agility bietet sich an! Ihm gelingt nämlich, woran viele einzelne Ansätze kranken: Als singuläre Maßnahmen können sie keine nachhaltige Wirkung entfalten. Der Vorteil der Open Space Agility ist, dass sie Ansätze der klassischen Organisationentwicklung mit agilen Grundsätzen und Methoden verbindet. Vor allem aber mit Großgruppenmethoden, hier vor allem eben der Open Space Technology des legendären Harrison Owen (der ein Vorwort zum Buch spendiert).
Dadurch lässt sich die Open Space Agility super anwenden, wenn es darum geht, Organisationen im Ganzen inhaltlich/strukturell neu auszurichten und die gesamte Belegschaft dafür zu motivieren und auch: in die Verantwortung zu nehmen: Inhaltlich genauso wie bei der Frage, was das konkret für die Organisation der Zusammmenarbeit.
Der größte Vorteil: Betroffene werden hier - END-LICH - zu Beteiligten gemacht. Und zwar auf das Unternehmensziel ausgerichtet.
Open Space Technology: Für mich einer der wichtigsten Bestandteile meiner Arbeit.
Ōno, Taiichi: Workplace Management.
Was ergibt sich daraus grundsätzlich für die Betriebsführung? Was ist anders zu tun und wie? Mit welchem - anderen - Verständnis von Organisation, Unternehmensführung und Zusammenarbeit sind wir besser dran?
Für diese Fragen ist für mich immer noch „Workplace Management“ von Taiichi Ohno DIE Bibel, das in Managementkreisen (und in der Managementausbildung sowieso) rätselhafterweise kaum beachtet wird.
Dennoch: Wer als Manager, Führungskraft, Berater, Coach etc. grundsätzlich wissen will, worauf es WIRKLICH ankommt, wenn eine Firma wertschöpfend zu organisieren ist, der lese dieses Buch.
(Ohno spricht meist über Produktion, also weniger über Service, vieles aber lässt sich natürlich mühelos adaptieren.).

Edgar Rodehack ist Teamwork-Enthusiast mit einem Faible für agile Formen der Zusammenarbeit. Da trifft es sich natürlich gut, dass er das beruflich macht. Er ist Organisationsberater, Business und Agile Coach, Teamentwickler und Moderator. Außerdem ist er ein Mensch mit Frau und drei Kindern, der viel Spaß am Musikmachen, Schreiben und Lesen hat. Mehr über ihn: www.rodehack.de
Anmerkungen und Links
- /1/ Rodehack, Edgar: Blogpost-Serie: Wer liest, hat mehr vom Buch
- Weitere Literaturlisten auf Teamworkblog finden sich hier.
Die empfohlene Literatur auf einen Blick
- Ameln, Falko von; Heintel, Peter: Macht in Organisationen. Denkwerkzeuge für Führung, Beratung und Change Management. Stuttgart, 2016.
- Ameln, Falko von: Ameln, Falko von: Organisationsberatung. Eine Einführung für Berater, Führungskräfte und Studierende. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2015.
- Emiliani, Bob: The Triumph of Classical Management Over Lean Management. How Tradition Prevails and what to Do about it. O.O, 2018.
- Lencioni, Patrick M.: Getting Naked. A Business Fable About Shedding The Three Fears That Sabotage Client Loyalty. New York, 2010.
- Logan, Dave: Tribal Leadership. New York 2009
- Mezick, Daniel J.; Pontes, Deborah; Shinsato, Harold: The Open Space Agility Handbook, o.O., 2015.
- Ōno, Taiichi: Workplace Management. New York: Productivity Press, 1988.