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Würdest Du einem Musiker zuhören, der keinen Spaß beim Spielen hat?

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Das fragte mich mal einer meiner Schauspiellehrer auf der Schauspielschule. Wir sollten in unserer Rollenvorbereitung immer darauf hin arbeiten, Spaß beim Spielen zu haben. Knapp zehn Jahre nach meiner eigenen Ausbildung rätsele ich nun darüber, wie ich meine Schauspielstudenten zu Höchstleistungen bringe.

Die Chance an einer renommierten staatlichen Schauspielschule aufgenommen zu werden, ist gering. Die wenigen Studienplätze sind begehrt, denn die Bewerberzahlen sind sehr hoch. Wer keinen Platz an einer kostenfreien staatlichen Schule bekommt, muss sich gut überlegen, ob er an eine private Schule möchte. Hier einen Platz zu bekommen ist viel leichter. Es gibt zahlreiche private Institute, teilweise mit zweifelhaftem Ruf und in der Mehrzahl der Fälle auch mit einem geringeren Studienangebot. An den staatlichen Bühnen sind diese Absolventen eher selten. Die Studiengebühren liegen ungefähr in der Höhe eines Kleinwagens. Neu versteht sich.

Wer sich also tatsächlich entscheidet, privat Schauspiel zu studieren, weiß: Er zahlt ein Vermögen für sein Studium und er hat kaum realistische Chancen, nach seinem Studium einen Job zu bekommen, denn es werden nur ganz wenige, hochmotivierte, fähige Absolventen engagiert. Nur der Student selbst ist persönlich dafür verantwortlich, dass er seine optimale Leistung zeigt.

Aber stimmt das?

Überraschenderweise ist das größte Problem an einer privaten Schauspielschule mangelnde Disziplin. Die aufmerksame Entspanntheit, mit der Schauspieler arbeiten lernen, wird oft verwechselt mit einer laxen Arbeitshaltung. Viele Studenten sind nicht neugierig, etwas zu lernen. Andere sind schlecht vorbereitet, einige bleiben sogar dem Unterricht fern. Das Ergebnis hat ein Kollege zugespitzt so formuliert: "Die faulen Schüler, die nie eine Chance haben werden, im Schauspielberuf zu arbeiten, finanzieren mit ihren Studiengebühren die fleißigen Schüler." Eine private Schule muss sich selbst tragen. Deshalb werden undisziplinierte Schüler nicht so leicht exmatrikuliert.

Ich habe kürzlich ein Angebot bekommen, nach langer Zeit wieder an einer privaten Schauspielschule zu unterrichten. Und jetzt brennt mir eine Frage unter den Nägeln: Warum merken es die „faulen“ Schüler nicht, dass sie viel Geld und sehr wertvolle Zeit verschwenden? Oder wie bekomme ich „Disziplin in den Laden“?

Jedes Semester dieser besagten Schauspielschule präsentiert in regelmäßigen Abständen seine Arbeitsergebnisse. Ich habe mir drei Präsentationen angesehen und meine Vorstellung von Disziplinlosigkeit, mangelnder Neugier und die Abwesenheit von jeglicher Spielfreude auf der Bühne wurden voll bestätigt.

Für mich gibt es drei wesentlichen Dinge, die ein Schauspielschüler in drei Jahren auf jeden Fall gelernt haben muss: Ein gutes Handwerk, einen guten Stil auf der Bühne und er muss in der Lage sein, mit seiner Persönlichkeit zu überzeugen.
  • Ein gutes Handwerk lernt man mit guten Lehrern und absoluter Disziplin. 
  • Durch viele Theaterbesuche und erfahrene Regisseure, die sich in der deutschen Theater- oder Filmlandschaft gut auskennen, eignet man sich einen guten Stil an. 
  • Und alles, was man auf der Bühne tut, sollte einem persönlich wichtig sein. Durch die Darstellung von vielschichtigen Charakteren entwickelt sich die Persönlichkeit des Schülers. Handwerk, Stil, Persönlichkeit.
Auch davon habe ich in den Schauspielschulpräsentationen nichts gesehen.

Sollte also die Schauspielausbildung nach drei, vier oder sechs Semestern tatsächlich völlig wertlos sein? Ich zermarterte mir nun den Kopf, wie ich den Schülern überhaupt etwas beibringen sollte?

In der quälenden Erwartung, wieder einen bleiernen Schauspielschulabend über mich ergehen lassen zu müssen, sah ich mir die letzte Präsentation an und wurde überrascht: Ich sah handwerklich ausgezeichnete, stilsichere Studenten, kraftvolle, vielseitige Persönlichkeiten, die mit jedem Profi mithalten konnten.

Woran lag das? Erstaunt fragte ich die Dozentin dieses Semesters aus. Sie erklärte mir, dass es an dieser Schule oft üblich sei, dass die Schüler in einer Rolle besetzt werden, die nicht viel mit ihrer Persönlichkeit zu tun haben. Die Dozenten geben eine äußere Form vor, die die Schüler nachspielen müssen.

In ihrer eigenen Arbeit war es der Dozentin am wichtigsten, die Persönlichkeit des Schülers zu zeigen. Die Rolle dem Schauspielstudenten nahe zu bringen und ihn nicht in ein äußeres Korsett zu zwingen. Sie appellierte nicht an den Fleiß ihrer Schüler, sondern sie förderte ihre Spiellust. Der Indikator für gutes Spiel war nicht, ob es „richtig“ gespielt ist, sondern ob es dem Studenten Spaß macht.

Hier treffen also zwei Prinzipien aufeinander: Das erste fordert die persönliche Verantwortung des Schülers. Entweder er arbeitet ambitioniert, oder sein gesamtes Studium ist wertlos. Aber wenn der Schüler die Sinnlosigkeit eines laxen Studiums nicht wahrnehmen kann, funktioniert dieses Prinzip auf keinen Fall.

Das zweite Prinzip: Gemeinsam mit den Studenten Ziele festzulegen. Ihnen helfen zu verstehen, dass sie ihr Handwerk meistern, einen aktuellen Stil spielen und ihre Persönlichkeit strahlen lassen müssen. Gemeinsame Strategien zur Zielerreichung zu formulieren. Was hilft Ihnen, dorthin zu kommen? Ihren Willen unterstützen, die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Und das geht nur, wenn ich täglich den Spaß an der Arbeit einfordere.

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